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(Dieser Beitrag erschien am 29. März 2025 im General-Anzeiger Bonn)
Stephan Eisel
Nicht verlegen beim Verlegen
Eine bedeutsame Familie: Vor 250 Jahren kam Nikolaus Simrock nach Bonn, wurde dort Beethovens Geschäftspartner und steinreich. Simrocks Sohn Franz betrieb in Bonn später ein Hotel, sein jüngster Sohn Karl übersetzte das Nibelungenlied
Vor 250 Jahren nahm in Bonn eine Familiengeschichte ihren Anfang, die über Generationen hinweg die deutsche Kulturgeschichte geprägt hat. Am 1. April 1775 trat nämlich der 1751 in Mainz geborene Nikolaus Simrock als zweiter Waldhornist seinen Dienst in der kurfürstlichen Bonner Hofkapelle an. Dort wurde er Orchesterkollege von Johann van Beethoven und dann ab 1784 von dessen Sohn Ludwig. Dem großen Komponisten war er zeitlebens freundschaftlich verbunden: Nikolaus Simrocks um 1827 niedergeschriebenen Erinnerungen gehören zu den wichtigen Quellen über Beethovens 22 Bonner Jahre.
Neben seinem Dienst als Hornist kümmerte sich Nikolaus Simrock schon bald um die Noten für das Orchester. Dafür erhielt er vom Kurfürsten sogar eine offizielle Zulage. Ab 1785 verkaufte er als privater Geschäftsmann verschiedene Musikalien und andere Waren wie französische Tapeten. In einer Annonce im Bönnischen Intelligenzblatt hieß es damals, alles sei „in der besten Qualität und gegen die billigsten Preise immer vorräthig“.
Nikolaus Simrock gehörte zu den Hofmusikern, die sich besonders nachdrücklich für die Werte der Aufklärung einsetzten. So war er einer der 15 Mitglieder der Bonner Sektion des Illuminatenordens, und nach dessen Verbot gehörte er 1787 zu den Mitbegründern der Bonner Lesegesellschaft.
1790 gründete Simrock seinen eigenen Verlag, in dem er zunächst Kopisten für Musikhandschriften beschäftigte. Sein erster eigener Druck war 1793 ein von ihm bearbeiteter Klavierauszug von Wolfgang Amadeus Mozarts „Zauberflöte“, der auf einer von Mozarts Witwe Constanze übermittelten Partitur beruhte. Noch im gleichen Jahr gab Simrock Beethovens Variationen über die Ariette „Es war einmal ein alter Mann“ heraus. Der Komponist und sein Verleger blieben in den folgenden Jahren enge Geschäftspartner und pflegten ein freundschaftliches Verhältnis. So bat Beethoven in einem Brief am 2. August 1794 in heiter-spöttischem Tonfall Simrock scherzhaft: „sind ihre Töchter schon groß, erziehen sie mir eine zur Braut, denn wenn ich ungeheirathet in Bonn bin, bleibe ich gewiß nicht lange da.“
Nikolaus Simrock verlegte von 1793 bis 1817 insgesamt 14 Erstausgaben von Beethovens Stücken – darunter die berühmte „Kreutzer-Sonate“ für Klavier und Violine. Gerne hätte er noch weitere Werke des Bonner Kompositionen herausgebracht. So erwähnt Beethoven am 18. Oktober 1802 in einem Brief, dass „Simrock mir schon einigemal um eigene für sich allein Besizende Werke geschrieben, und mir bezahlen Will, was nur immer jeder andre Verleger auch“.
Auch mit Joseph Haydn stand Nikolaus Simrock in engem Kontakt und verhandelte mit ihm, als der Komponist 1790 und 1792 Bonn besuchte. Er verlegte auch die Werke von Ferdinand Ries. Dieser war Sohn seines langjährigen Bonner Orchesterkollegen Franz-Anton Ries, in Wien Schüler von Beethoven und später als Direktor der Philharmonischen Gesellschaft in London Auftraggeber für Beethovens 9. Sinfonie.
Im Simrock-Verlag erschienen aber nicht nur Werke zeitgenössischer Komponisten. Ein Schwerpunkt des Unternehmens war auch die Wiederbelebung Alter Musik mit der Herausgabe von Kompositionen von Georg Friedrich Händel und Werken von Johann Sebastian Bach wie dem „Wohltemperierten Klavier“. Dazu vermerkte der Verleger allerdings später: „Die damalige Welt war aber nicht so verliebt in diese Sachen wie der Herausgeber, und so verblieb ich so ziemlich hart darauf sitzen.“
Während der französischen Besetzung Bonns ab 1794 half Simrock seine frankophone Grundhaltung auch bei der geschäftlichen Entwicklung. Vor seiner Bonner Zeit hatte er bereits neun Jahre als Hornist im königlich-lothringischen Kavallerie-Regiment den Franzosen gedient. Sein jüngerer Bruder Heinrich (Henri) – selbst Geiger und Hornist, der auch als Komponist hervortrat – war schon seit 1792 in Paris und wirkte dort unter anderem bis 1802 als Lehrer am Pariser Konservatorium. Während der französischen Besetzung gehörte Nikolaus Simrock auch dem Bonner Stadtrat an. Dieses Amt behielt er auch, nachdem das Rheinland 1815 in das Königreich Preußen integriert worden war.
1799 pachtete Nikolaus Simrock ein großes Eckhaus an der Bonngasse. Heute ist in dem Gebäude an der Kreuzung zur Oxfordstraße eine Filiale der Bäckerei Voigt untergebracht. Sein Unternehmen expandierte immer weiter und gehörte bald zu den wichtigsten Verlagshäusern in Deutschland. Unter anderem belieferte er auch aus Moskau und Riga den russischen Musikmarkt.
Nikolaus Simrock hatte bereits 1780 Franziska Ottilia Blaschek geheiratet, deren Vater Mitglied der Mainzer Hofkapelle war. Die Simrocks bekamen 13 Kinder, von denen acht noch lebten, als Nikolaus 1832 verstarb, drei Jahre nach seiner Frau. Ihnen hinterließ Simrock als inzwischen einer der reichsten Männer in Bonn ein beträchtliches Vermögen. Dazu gehörten unter anderem sechs Häuser in Bonn, fünf kleinere Weingüter in der Umgebung und mehr als 20 große Ländereien unter anderem in den damals selbstständigen Gemeinden Poppelsdorf und Kessenich. Auch in Honnef hatte Simrock besonders viele Grundstücke erworben.
Den Musikverlag übernahm sein Sohn Peter Joseph („Seppel“), der bereits 1812 in Köln eine Dependance eröffnet hatte und 1816 Beethoven in Wien besuchte. Der Komponist nahm den jungen Bonner damals sogar zu einem Besuch bei seinem geliebten Neffen Karl mit. Eine Zeitzeugin notierte dazu: „Gestern Abends war wider alles Vermuthen der theure Onkel Beethoven bei uns und brachte einen jungen Menschen seinen Landsmann [...] Von dem jungen Menschen ist nicht viel zu sagen; er liebt die Musik wir spielten und sangen, was ihm sehr zu gefallen schien und ist stolz dem Städtchen anzugehören, welches der Welt einen Mann wie Beethoven schenkte.“
Dass Beethoven den jungen Simrock ins Herz geschlossen hatte, kann man unter anderem aus der heiteren Abschlussformel seines Briefes vom 15. Februar 1817 entnehmen: „leben sie wohl mein liebes Simmröckchen u. beym verlegen werden sie nie verlegen.“
Als 1870 Fritz Simrock von seinem Vater Peter Joseph die Leitung des Verlags übernahm, verlegte er den Unternehmenssitz nach Berlin. Inzwischen wurden dort unter anderem Werke von Robert Schumann, Felix Mendelssohn-Bartholdy, Max Bruch, Antonín Dvorák und Johann Strauß herausgegeben. Vor allem wurde der Simrock-Verlag wichtigster Partner von Johannes Brahms, der dort 87 Erstausgaben verlegen ließ. Anfang des 20. Jahrhunderts endete dann die Selbstständigkeit des Simrock-Verlags durch Fusionen mit anderen Verlagshäusern.
Auch andere Kinder von Nikolaus Simrock spielten in der Bonner Stadtgeschichte eine wichtige Rolle. Franz C. A. Simrock war über viele Jahre Betreiber des Hotels „Trierer Hof“ am Bonner Markt, in dem unter anderem 1838 Alexandre Dumas zu Gast war. Beim ersten Beethovenfest im August 1845 nahm dort der englische Dirigent George Smart Quartier, der im Mai 1825 die Londoner Uraufführung von Beethovens Neunter dirigiert hatte.
Simrocks jüngster Sohn Karl erwarb sich als Herausgeber alt- und mittelhochdeutscher Literatur nationale Anerkennung. Schon Goethe hatte seine bereits 1827 erstellte Übertragung des „Nibelungenlieds“ ins Neuhochdeutsche geschätzt. Karl Simrock wurde 1850 erster Inhaber eines germanistischen Lehrstuhls an der Universität Bonn und war auch eng mit den Gebrüdern Grimm befreundet. Schwiegersohn von Karl Simrock war übrigens Alexander Reifferscheid, der mit seinem Bruder August ebenfalls zu den prominenten Philologen im ausgehenden 19. Jahrhundert gehörte.
Zwanzig Jahre nach Karls Tod riefen Bonner Bürger 1896 zu Spenden für ein Simrock-Denkmal auf, das am 15. Juli 1903 im Bonner Hofgarten feierlich enthüllt wurde. Am Tag darauf unterstrich der General-Anzeiger in einem ausführlichen Bericht, dass so an „erster Stelle“ Karl Simrock als Übersetzer des Nibelungenliedes geehrt werde. 1940 wurde das Denkmal unter ungeklärten Umständen in den Bauhof der Stadt gebracht. Heute lässt sich der endgültige Verbleib nicht klären.
Von Nikolaus Simrock war übrigens im Zusammenhang mit dem Simrock-Denkmal ebenso wenig die Rede wie bei einem Beschluss der städtischen Baukommission der Stadt im April 1896, eine Straße nach Simrock zu benennen. Auch wenn im Straßenkataster der Stadt dazu als Erläuterung bis heute steht „Nikolaus Simrock (1751-1823), Musiker, bzw. Karl Joseph Simrock (1802-1876), Dichter, Professor an der Universität Bonn (Germanist)“, ist eindeutig, dass Karl Simrock gemeint war. Gleiches gilt für die heutige Simrockallee in Bad Godesberg, die von 1941 bis 1978 ebenfalls Simrockstraße geheißen hatte.
Ganz eindeutig ist der Bezug im Namen der „Karl-Simrock-Schule für Berufsorientierung“ in Endenich. Dort begann 1963 der Unterricht und zehn Jahre später erhielt die Schule ihren bis heute gültigen Namen. Gepflegt wird die Erinnerung an Karl Simrock auch in Bad Honnef, wo es nicht nur eine Karl-Simrock-Straße gibt, sondern im Ortsteil Menzenberg seit 1840 das Haus „Parzival“ des Dichters steht.
Karl Simrock ist ebenso wie sein Großvater Nikolaus auf dem Alten Friedhof in Bonn begraben. Dort sind in sechs Gräbern insgesamt 17 Familienmitglieder aus drei Generationen bestattet. Das vernachlässigte Grab von Niklaus Simrock ist heute in seiner Heimatstadt die einzige konkrete Erinnerungsstätte an den Beethoven-Freund und seinen Verleger. Will Bonn seinem Anspruch als Beethovenstadt gerecht werden, sollte die Stadt hier aktiv werden.
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